Klinikum Crailsheim

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Aktuelles aus der Presse

Wir informieren Sie hier über aktuelle Themen und Aktionen über die in der Presse berichtet wurde:

Grübelschleifen-Ausweg

Im Klinikum Crailsheim bekommen Chirurgen und die Ehrenamtlichen des Besuchsdienstes Besuch – und zwar von einem Psychologen.

Landrat Gerhard Bauer hat keine Weihnachtskarten verschickt. Das gesparte Geld ist stattdessen den Ehrenamtlichen des Besuchsdienstes im Crailsheimer Krankenhaus zugute gekommen. Und dem Chirurgenteam. Allerdings nicht in Form von Sachen oder Material. „Ich wollte etwas Immaterielles“, meinte der Krankenhausseelsorger Pfarrer Matthias Brix und besann sich eines Psychologen, den er von einem Seminar her kannte. Dr. Jörg Fengler aus Köln, emeritierter Professor für klinische und pädagogische Psychologie, Psychotherapeut. Brix lud ihn nach Crailsheim ein.

„Professor Fengler hat die Fähigkeit, mit schiefen Situationen gradlinig umzugehen“, erklärt Brix. Nicht dass es im Krankenhaus unbedingt schiefe Situationen gebe: Der Besuch des Psychologen war vor allem präventiv angelegt. Und weil Brix bei seiner Krankenhausseelsorge nicht nur die Patienten, sondern das ganze Haus im Blick hat, den Besuchsdienst ebenso wie die Angehörigen und die Ärzte, blieb Fengler einfach den ganzen Tag in der Klinik. Vormittags war er für die Ehrenamtlichen da, die konkrete Fragen hatten. Zum Beispiel: Wie gehe ich mit verwirrten Menschen um? Wie mit jemandem, der nicht mehr leben will und was sage ich einem Patienten, dem ein Bein abgenommen werden soll?

„Immer ist das Zuhören wichtig. Das kann sogar wichtiger sein als das Gespräch selber“, sagt Fengler im Gespräch mit dem HT. „Auch im Fall der drohenden Amputation muss man die ganz speziellen Ängste wahrnehmen. Man muss sich fragen, wovor der Mensch denn wirklich Angst hat. Weil Pflegefall für ihn der Worst Case ist“ Diese Fragen müsse natürlich der Betroffene für sich beantworten. Aber man könne das Gespräch auch lenken. Man könne besprechen: Was geht ohne Bein nicht mehr? Aber was geht noch? „Dann kommen auch schnell Fragen wie: Wer bin ich als Mensch? Macht das Bein da einen Unterschied“

Nachmittags traf Professor Fengler das Chirugenteam. Hier war das Ziel Burnout-Prävention – ein Thema, das Fengler oft mit Ärzten bespricht. Deshalb weiß er, dass Ärzte unter Bedingungen leiden, die mit ihrer medizinischen Arbeit selber wenig zu tun haben. „Sie leiden unter den Wechselschichten, der schnellen Taktung, der Qual des Berichtschreibens und darunter, nur wenig Zeit für die Patienten zu haben.“ Leidensdruck kann zu Burn Out führen – und um den zu verhindern, kann man an sieben Stellen eingreifen, meint Fengler.

Auf die Haltung kommt es an

Diese sieben Punkte (siehe Infokasten) ging er mit den Ärzten auch in Crailsheim durch, mit Beispielen, Denkanstößen und so weiter. Bei manchen Punkten seien die persönlichen Einflussmöglichkeiten groß, erklärt Fengler dann. Bei manchen Punkten allerdings auch klein – wenn es etwa um die Abrechnungsmodalitäten oder das generelle Gesundheitswesen geht.

Doch verändern kann jeder etwas, selbst dort, wo es unmöglich scheint: „Man kann sich zum Beispiel in politische Gremienarbeit stürzen. Das dauert zwar, bis es wirkt. Aber trotzdem.“ Und manchmal müsse man mit Stressfaktoren einfach leben lernen. „Es kommt in vielem auf die Haltung an“, sagt Fengler. Ein chinesisches Sprichwort besage: „Den Tiger, den du nicht besiegen kannst, musst du umarmen.“

Ob er den Ärzten mit seinen Denkanstößen allerdings den Weg aus einer möglichen „Grübelschleife“ gezeigt hat, ob also das Seminar gewirkt hat oder wirken wird, ist schwierig zu messen – ein bekanntes Problem der Sozialwissenschaften. Und auch ein bekanntes Problem in der Seelsorge, meint Brix. „Wann weiß man schon, ob ein Gespräch gewirkt hat“, fragt Brix. Es komme manchmal auch nur darauf an, ein Saatkorn zu legen.
 
Sieben Himmel und sieben Höllen

Die sieben Punkte der Belastung können entweder krank machen oder salutogenetisch wirken, also Gesundheit herstellen. Der Trick: mehr salutogenetische als stressende Faktoren im Leben haben, dann ist auch das Burnout eher unwahrscheinlich. Die sieben Punkte sind geordnet nach den Einflussmöglichkeiten eines jeden Einzelnen:

1. Persönlichkeit – dies betrifft das eigene Denken, Fühlen und Handeln. Diesen Bereich kann man selber am besten beeinflussen;

2. das private Umfeld (Partnerschaft);

3. die Zielgruppe – bei den Ärzten sind das die Patienten und Angehörigen;

4. Das Team. Funktioniert es gut, arbeitet es sich leicht. Mobbing macht alles schwer;

5. Vorgesetzte. Dies ist, so Professor Fengler, im Arbeitsleben eine Schlüsselposition, weil sie viel Einfluss auf einen selber hat;

6. Institution. Hier stellt sich die Frage, ob die Klinik als Ganzes ein Stressfaktor oder – im Positiven – identitätsstiftend ist;

7. Gesellschaftliche Faktoren. Hier spielen Entlohnung, das Gesundheitssystem oder Abrechnungsquerelen eine Rolle.

Info Pfarrer Matthias Brix sucht immer Ehrenamtliche für den ökumenischen Klinikbesuchsdienst. Wer sich interessiert, kann beim Krankenhaus-Seelsorgetelefon anrufen. Es ist Tag und Nacht besetzt: 07951 / 310185

Hohenloher Tagblatt / 19.07.2017 / Ute Schäfer

"Den Tiger, den du nicht besiegen kannst, musst du umarmen": Psychologe Jörg Fengler gibt Chirurgen und Ehrenamtlichen vom Krankenhausbesuchsdienst Tipps zur Burnout-Prävention.
Foto: Manfred Esser