Klinikum Crailsheim

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Aktuelles aus der Presse

Wir informieren Sie hier über aktuelle Themen und Aktionen über die in der Presse berichtet wurde:

"Leben am seidenen Faden"

Krankengeschichte Manuela S. aus Crailsheim ist einer der ersten schweren Corona-Fälle, die im Kreisklinikum in Crailsheim behandelt wurden. Zehn Tage lang wurde sie künstlich beatmet. Jeden Tag arbeitet sie hart dafür, dass sie ihr „zweites Leben“ bald allein bewältigen kann.   

Viel Zeit zum Nachdenken hat Manuela S. aus Crailsheim gerade. Die 62-Jährige ist eine der ersten Corona-Patienten des Kreisklinikums in Crailsheim, bei der die Viruserkrankung einen schweren Verlauf nahm. Zehn Tage lang wurde sie künstlich beatmet, kämpften Ärzte um ihr Leben, während sie sich in einem „schwebenden Zustand“ befand – zwischen Traum und Realität, Leben und Tod. Viele ihrer Gedanken kreisen darum.

Manuela S. hat das Virus besiegt. Noch ist ihr Körper gezeichnet von den Kämpfen, die er ausgefochten hat. Und noch sind längst nicht alle Kämpfe gewonnen. Doch sie selbst ist voller Hoffnung auf eine vollständige Genesung und erkämpft sich Stück für Stück zurück, was sie verloren hat. „Mein Leben hing am seidenen Faden“, sagt sie. „Jetzt freue ich mich auf mein zweites Leben.“

Als sich das Coronavirus mit rasender Geschwindigkeit auszubreiten begann, sich die Schreckensnachrichten aus dem Ausland in den Medien überschlugen und Menschen in ihrer Umgebung panisch wurden, blieb Manuela S. gelassen. „Ich habe versucht Abstand zu halten und Ruhe zu bewahren“, erzählt sie. „Angst hatte ich keine. Nicht im Traum hätte ich mir vorstellen könne, dass mich das Virus so hart treffen würde. Ich war schließlich gesund und hatte keine Vorerkrankungen. Zur Risikogruppe habe ich mich nicht dazugezählt.“

Einer der ersten schweren Fälle

Und doch hat sie sich als eine der ersten mit Covid-19 infiziert und wurde einer der ersten schweren Fälle, die zunächst in Crailsheim behandelt und später in andere Kliniken verlegt werden mussten. Zum Zeitpunkt ihrer Ansteckung Mitte März konnte noch zurückverfolgt werden, welche Kontaktperson das Virus übertragen hatte. Bei Manuela S. war es eine Arbeitskollegin. „Am 19. März habe ich einen Anruf vom Gesundheitsamt bekommen, sechs Tage später hatte ich die ersten Symptome“, erzählt die 62-Jährige.

Zunächst bekam Manuela S. Rückenschmerzen. Sie fühlte sich schlapp und antriebslos. „Da ich kein Fieber und keinen Husten hatte, habe ich zu diesem Zeitpunkt nicht daran gedacht, dass es Corona sein könnte.“ Erbrechen kam hinzu und Durchfall, nach einer Woche folgte der Husten. Zwei Wochen lang versuchte die Crailsheimerin, ihre Erkrankung daheim auszukurieren. Doch es gab keine Anzeichen für eine Besserung. Im Gegenteil: Von Tag zu Tag verschlechterte sich ihr Zustand.

Am 29. März rief ihre Tochter einen Krankenwagen, der sie ins Kreiskrankenhaus brachte. Da der Corona-Test positiv war, wurde Manuela S. auf der Isolierstation behandelt. Doch schon wenige Tage später wurde sie auf die Intensivstation verlegt, da die Krankheit einen immer schwereren Verlauf nahm. Hier wurde sie intubiert und ans Beatmungsgerät angeschlossen.

Ihre weitere Krankengeschichte kennt Manuela S. nur aus Erzählungen. Sie selbst hat keinerlei Erinnerungen an die folgenden Wochen, die sie in einem komaähnlichen Zustand verbrachte. Die Crailsheimer Ärzte verlegten sie zunächst ins Diakoneo nach Schwäbisch Hall. Von dort wurde sie ins Universitätsklinikum Heidelberg gebracht. Insgesamt zehn Tage lang musste sie künstlich beatmet werden.

„Man kriegt von alldem nichts mit. Es war alles so schwebend, wie im Weltall. Ich hatte seltsame Träume in dieser Zeit, war in meinem Kopfkino gefangen“, erinnert sich die 62-Jährige. In einem immer wiederkehrenden Traum wurde sie von einer Party – die sie in der Realität nie besucht hatte – in ein Krankenhaus gebracht. Ihre größte Sorge im Traum war, dass sie ihre Familie nicht über ihren Aufenthaltsort informiert hatte. Wie sehr sie dies beschäftigte, wird im ersten Satz deutlich, den sie nach dem Erwachen aus dem Koma mehrfach wiederholen musste, bis die Schwester ihn verstand: „Wo ist mein Handy“. Manuela S. wollte als Erstes ihren Kindern mitteilen, dass sie im Krankenhaus ist.

In Wirklichkeit wussten Manuela S.’s drei erwachsene Kinder, ihre fünf Enkel und ihre Schwester sehr wohl von ihrem Klinikaufenthalt und auch von ihrem kritischen Zustand. Täglich telefonierten sie mit den Pflegern und Ärzten in Crailsheim, Hall und Heidelberg. Auch an dem Tag, als sich die Ärzte nicht sicher waren, ob ihre Patientin die nächsten 24 Stunden überleben würde. „Zehn Tage lang hat meine Familie um mich gebangt.“

Alles neu lernen

Aus dem Koma erwacht, musste die Corona-Patientin alles wieder neu lernen: atmen, sprechen, essen, die Hände und Finger benutzen, aus dem Bett aufstehen. „Zuerst konnte ich mich gar nicht bewegen“, sagt sie. Ihre Muskeln hatten sich durch die lange Liegezeit zurückgebildet, jede Bewegung war ein Kraftakt. Nachdem sie vom Beatmungsgerät abgekoppelt wurde, blieb sie noch einige Tage in der Uniklinik Heidelberg und wurde dann – vor etwa zwei Wochen – nach Crailsheim zurückverlegt.

Hier erholt sich Manuela S. jetzt langsam, sammelt Kräfte und erobert sich jeden Tag ein Stück Selbstständigkeit zurück. Die Isolierstation durfte sie inzwischen verlassen, weil sie mehrfach negativ auf das Coronavirus getestet wurde. Nach ihrem Klinikaufenthalt wird sie eine mehrwöchige Reha antreten. Wann das sein wird, weiß sie nicht. „So weit denke ich nicht. Ich sehe nur auf den heutigen Tag und auf das, was ich heute schaffen kann. Mir ist egal, wie lange es dauert: Ich nehme mir die Zeit für meine Gesundheit.“

Fortschritte gibt es nur in kleinen Schritten. Nachdem die Nasensonde entfernt war, durch die sie wochenlang ernährt wurde, begann die 62-Jährige zunächst damit, ihren geschwächten Körper wieder selbst mit Nahrung zu versorgen. „In den ersten Tagen habe ich nur Suppe gegessen, anfangs fünf Löffel pro Mahlzeit. Dann war ich satt und erschöpft“, berichtet sie, während sie in einem Spezialstuhl sitzt, der ihr hilft, ihren Körper aufrecht zu halten. Hier hält sie sich nachmittags für einige Stunden auf, liest ein paar Seiten und genießt die Zeit außerhalb des Krankenbetts, das sie seit vielen Wochen hütet. Auf der „normalen“ Station ernährt sie sich abwechslungsreicher und freut sich über „ganz normale Lebensmittel“: ein Brötchen, ein Stück Butter, eine Scheibe Käse.

Zweimal am Tag steht Physiotherapie auf dem Programm. „Meine Arme und Hände kann ich schon wieder gut bewegen, nur die Beine wollen noch nicht so ganz. Sie fühlen sich taub an.“ Nach einigen Kräftigungsübungen im Bett lernt Manuela S., unterstützt von ihrer Physiotherapeutin und mithilfe von Krücken, jetzt wieder das Laufen. Schritt für Schritt. Mit Pausen zwischendurch, wenn es zu anstrengend wird und der Patientin die Luft wegbleibt. Dann freut sie sich über das Sauerstoffgerät, das ihr auch nachts noch das Atmen erleichtert. „Den ganzen Flur schaffe ich noch nicht, aber ich trainiere fleißig und werde immer besser.“

Was Manuela S. durch ihre Krankheit gelernt hat, ist die Freude über die kleinen Dinge im Leben, denen ein gesunder Mensch nur wenig Beachtung schenkt. Als eine Krankenschwester am Samstag mit den Worten „Heute ist Duschtag“ in ihr Zimmer kam, hatte die 62-Jährige Tränen in den Augen. „Das war ein Glücksmoment. So muss es sich anfühlen, wenn Ostern und Weihnachten auf einen Tag fallen.“ Seit zwei Monaten hatte sie ihre Haare nicht mehr gewaschen. Jetzt durfte sie ihre erste Dusche nehmen. „Das hat unglaublich gutgetan“, sagt Manuela S. „Die Pfleger und Schwestern hier im Crailsheimer Krankenhaus – und die Ärzte und Physiotherapeuten natürlich auch – sind wahre Engel. Es sind einfach die Besten.“

Kontakt zur Außenwelt hält Manuela S. seit Wochen nur übers Telefon. Vom Lockdown hat sie nur die ersten Tage mitbekommen, was danach geschah, kennt sie bloß aus Erzählungen. Ihre Kinder und Enkel hat sie seit Anfang März nicht gesehen. Die Vorfreude auf ein Wiedersehen mit ihrer Familie wächst von Tag zu Tag. Doch auch hier bleibt die Crailsheimerin geduldig. „Erst muss ich gesund werden. Das ist alles, was jetzt zählt.“ 

HOHENLOHER TAGBLATT / 07.05.2020 Von Christine Hofmann

Schutz vor Ansteckung lautet das oberste Gebot bei der Behandlung und Pflege von Corona-Patienten. Und doch gelingt es Ärzten und Pflegekräften im Kreisklinikum in Crailsheim, den kranken Menschen nah zu sein und Zuversicht zu vermitteln.
Foto: Klinikum
Schutz vor Ansteckung lautet das oberste Gebot bei der Behandlung und Pflege von Corona-Patienten. Und doch gelingt es Ärzten und Pflegekräften im Kreisklinikum in Crailsheim, den kranken Menschen nah zu sein und Zuversicht zu vermitteln.
Foto: Klinikum
Mit kleinen Schritten erobert sich Manuela S. im Kreisklinikum in Crailsheim ihre Selbstständigkeit zurück. Jeden Tag übt sie laufen auf dem Stationsflur. 
Foto: Klinikum Crailsheim
Mit kleinen Schritten erobert sich Manuela S. im Kreisklinikum in Crailsheim ihre Selbstständigkeit zurück. Jeden Tag übt sie laufen auf dem Stationsflur.
Foto: Klinikum Crailsheim