Klinikum Crailsheim

Seitenbereiche

gUT BETREUT -
oPTIMAL VERSORGT
NotfallkontaktNotfallkontakt

Seiteninhalt

Aktuelles aus der Presse

Wir informieren Sie hier über aktuelle Themen und Aktionen über die in der Presse berichtet wurde:

Streiterin für Gerechtigkeit

Menschen Waltraud Wagner in Rot am See hat allen Grund zurück zu blicken: Sie hat sich jahrzehntelang für andere stark gemacht und neben persönlichen Angriffen immer wieder große Wertschätzung erfahren. 

Dein Haar ist weiß und deine Hände, aber in den beiden Spiegeln deines weißen Gesichts hat sich der Sommer erhalten“. Es sind Menschen wie Waltraud Wagner, die Nelly Sachs mit ihren Versen beschrieben hat. Die Ex-Kreisrätin, langjährige Gemeinderätin und stellvertretende Bürgermeisterin in Rot am See, Trägerin des Bundesverdienstkreuzes, hat jüngst ihren 80. Geburtstag gefeiert. Sie sieht sich freilich nicht durch ihre Ämter beschrieben, sondern durch die Begegnungen, die ihr Leben reich gemacht haben und machen. Und noch immer guckt sie mehr nach vorne als zurück. Herzlich zeigt sie sich, lebensbejahend, leidend – weniger an ihren körperlichen Beschwerden als am Leid der Welt.

Drei Erinnerungs-Bilder

Wer und was sie ist, lässt sich an drei Momentaufnahmen zeigen. In der ersten sitzt sie mit ihrer Großmutter auf dem Kutschbock eines Planwagens, mit dem die Familie 1946 aus Bessarabien kam. Waltraud Wagner hat schon früh gespürt, dass sie sich entweder an der Mutter oder aber an der Großmutter väterlicherseits orientieren konnte. Erstere hat, wohl selbst sehr unsicher, zeitlebens darauf geachtet, gut dazustehen vor den Augen der Welt. Was „die Leute“ sagen und denken, war ihr Maßstab und ein sauberes Kind einem glücklichen allemal vorzuziehen. Die Oma wiederum scherte sich nicht um klebrige Schürzen, wenn das Kind, das beim Backen half, übers ganze Gesicht strahlte.

Auf dem Planwagen damals hat Klein-Waltraud neben ihr unbeschwert und aus voller Brust gesungen: „Im grünen Wald, da wo die Drossel singt, Drossel singt“. Erst viel später wurde Waltraud Wagner bewusst, in welcher Gefahr die Familie damals schwebte und wie tapfer die Großmutter war: Über dem Planwagen die russischen Flieger, die in ihrem unbändigen Vergeltungswillen auch Flüchtlingstrecks beschossen, und in den nahen Wäldern Partisanen, die Lebensmittel stahlen oder sich gar über die Frauen hermachten. Die Großmutter hat damals alles gegeben, damit das Kind neben ihr keine Angst auszustehen hatte. Und genau so eine Frau wollte Waltraud Wagner werden. Wer sie kennt, sagt, dass sie dieses Ziel erreicht hat. In Schrozberg ist die Kleine, die damals ihren vierten Geburtstag feierte, vom Planwagen in die Arme einer freundlichen Frau gesprungen: „Du hast bestimmt Hunger“, hat die Frau gesagt und dem fremden Kind eine Brezel gekauft. Ein gutes Omen für ein gutes Leben in Hohenlohe.

„Mama, Rot am See“

In der zweiten Momentaufnahme steht der Briefträger vor der Tür, in der Hand ein Brief, der an „Mama, Rot am See“ adressiert war. Mehr brauchte es nicht, es war ja klar, wer gemeint war. Als Waltraud Wagner in den 80ern hörte, dass in einem alten Bauernhaus 20 Flüchtlinge aus unterschiedlichen afrikanischen Ländern untergebracht waren, hat sie – vielleicht auch in der Erinnerung an die Schrozberger Brezel – angefangen, sich um die jungen Männer zu kümmern, von denen sie alsbald Mama genannt wurde. Die Schwachen zu stärken, die Benachteiligten, das hat die 80-Jährige, die selbst so stark war, ihr Leben lang als ihre Aufgabe begriffen. Gerechtigkeit ist für sie kein Schlagwort und kein Kampfbegriff, sondern wichtigste Antriebsfeder.

Die Kämpfernatur

Waltraud Wagner ist Familienfrau, die ihre drei Kinder liebt und ihren Mann Erwin, mit dem sie im kommenden Jahr 60 Jahre verheiratet ist. Sie hat 40 Jahre als Buchhalterin gearbeitet, ebenso lange ist sie Sozialdemokratin.

All das führt aufs dritte Bild zu, das der streitbaren Kommunalpolitikerin, die, des Kampfes müde, hinschmeißt. In ihren ersten Jahren, „umgeben von alten Männern“, wie sie sich erinnert, verkämpfte sie sich etwa für andere Öffnungszeiten im Kindergarten und erkannte, dass sie allein auf weiter Flur stand. Dieses Gefühl hatte sie noch öfter. In Rot am See suchte sie schließlich Gleichgesinnte und gründete eine eigene Liste, Aktiv und offen.

Hofhund fürs Klinikum

Ihren größten Kampf, sagt sie, führte sie fürs Klinikum Crailsheim. Als sozialpolitische Sprecherin der SPD im Kreistag sah sie sich irgendwann als „Hofhund für dieses Krankenhaus“, das damals Gefahr lief, vom Diak geschluckt oder von Privaten übernommen zu werden. Über diesem Kampf ist sie krank geworden, hingeschmissen aber hat sie erst, als der Kampf gewonnen war.

Im Blick nach vorne, in die Zukunft, sieht die 80-Jährige wie eh und je Hunger und Not und Kinder, die ganz leicht gerettet werden könnten. Neu ist die Angst vor ausuferndem Egoismus: „Ich weiß nicht, wie die Welt sich entwickelt.“ Jeder wolle unbedingt das größte Stück vom Kuchen, dabei müssten doch alle für die Zukunft denken, sonst funktioniere gar nichts mehr. „Ich hoff, dass meine Enkel so stark sind, dass sie das schaffen.“ Was sie freilich auch sieht, sind Menschen: „Ich hab Menschen immer geliebt, und ich glaube, das spürt man.“

HOHENLOHER TAGBLATT / 18.02.2022 / Birgit Trinkle

Waltraud Wagner hat dieser Tage den 80. Geburtstag gefeiert. Viele Weggefährten gratulierten.
Foto: Birgit Trinkle
Waltraud Wagner hat dieser Tage den 80. Geburtstag gefeiert. Viele Weggefährten gratulierten.
Foto: Birgit Trinkle